2.1 Neustadt – älteste Fabrikstadt Mecklenburgs
Bereits in vorchristlicher Zeit waren primitive Formen der Verhüttung bekannt. Davon zeugen Funde von Eisenschlacken und Reste von primitiven Brennöfen auf der Klein-Laascher Feldmark (hinter der heutigen Schweinemastanlage). Der Verfasser dieser Zeilen hat Ende der 1960er Jahre an den Ausgrabungen unter Leitung des bekannten Neustädter Chronisten Werner Bahlke teilgenommen.
Für die industrielle Entwicklung unserer Stadt lieferte damals die Lewitz das wichtige Raseneisenerz und das erforderliche Holz. Da das Raseneisenerz, auch Klump genannt, fest genug war und sich leicht bearbeiten ließ, wurde es auch als billiges Baumaterial eingesetzt. Noch heute gibt es Häuser und Mauern, die uns das typische tiefbraune Aussehen des Klump erkennen lassen.
Das Raseneisenerz enthält maximal 29 Prozent Eisen. Die Ausbeute des Schmelzens war deshalb gering.
Die ersten Nachrichten aus Neustadt als Industriestadt kommen aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts.
In dieser Zeit entstanden die ersten Wassermühlen. 1520 kamen schon eine Pulvermühle, eine Korn-, eine Öl- und eine Papiermühle hinzu.
Auf dem Kiez wurden auf Weisung des Herzogs in dieser Zeit eine Eisenschmelzhütte und ein Eisenhammer eingerichtet.
Da das erforderliche Fachwissen bei den einheimischen Handwerkern nicht vorhanden war, wurden auf Weisung des Herzogs meister aus anderen Teilen Deutschlands in unsere Stadt geholt.
Die Produktionsstätten blieben in herzoglicher Hand, wurden aber zeitweise in Pacht oder Erbpacht übergeben.
Mitte des 16. Jahrhunderts wurden jährlich 300 bis 400 Zentner Eisen verarbeitet. Statt jedoch beträchtlichen Gewinn abzuwerfen, wurden die Eisenwerke zu Zuschussbetrieben. Ihr Nutzen beschränkte sich auf das materielle Ergebnis.
Wenn der Import von Eisenerzeugnissen auch eine teure Angelegenheit war, entschloss sich der Herzog 1580, die Produktionsstätten in Neustadt stillzulegen.
Die Wälder nördlich von Neustadt waren erheblich gelichtet. 1577 wurden z.B. für die Eisenproduktion etwa 6.300 Tonnen Kohlen und 1052 Faden Holz (ein Faden gleich 3,46 m3) verbraucht.
Gegen Ende des 16. Jahrhunderts gab es zusätzlich ein Kupfer- und ein Messingwerk, daneben eine Pulvermühle.
Anfang des 17. Jahrhunderts wurde trotz der Unrentabilität die Eisenindustrie erneut aktiviert. Der Dreißigjährige Krieg brachte mit seinem ungeheuren Bedarf an Eisenerzeugnissen einen kurzen Aufschwung.
Wallenstein, von 1629 bis 1630 Herzog von Mecklenburg, begab sich 1629 persönlich nach Neustadt, um die Ergiebigkeit und das Spektrum der Eisenindustrie zu untersuchen. Er war an Kanonen und Kugeln interessiert. Als der Dreißigjährige Krieg auch unsere Landschaft erfasste, ging mit seinem Verlauf auch die Manufaktur zugrunde.
Der Dreißigjährige Krieg, der erst ab 1629 Mecklenburg erfasste, fand mit den Kämpfen der Brandenburger gegen die Schweden 1644 sein praktisches Ende.
Trotzdem zählte Mecklenburg neben der Pfalz und Württemberg zu den vom Krieg am schwersten betroffenen Gebieten Deutschlands. Von 300.000 Mecklenburgern hatte „nicht einmal ein Viertel“ den Krieg „überdauert“.
Als 1626 die zweite und 1638/39 die dritte Pestwelle über die Stadt hinwegrollte, traf sie eine dezimierte, unterernährte und ausgemergelte Stadt. Ab 1627 zogen versprengte marodierende Truppen durch Stadt und Land, dranglasierten die ausgeplünderten Menschen, vergewaltigten und mordeten.
1647 unternahm Herzog Adolph Friedrich erneut den Versuch, die Eisenproduktion in Neustadt in Gang zu bringen. Er verpachtete die maroden Anlagen an einen schwedischen Eisenschmelzer, der wegen Zahlungsunfähigkeit die Hütten an den Rand des Ruins brachte. Mühsam hielten sie sich etwa 10 Jahre.
Für die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts gibt es keinen Hinweis auf die Existenz einer aktiven Metallmanufaktur.
Es begann der Niedergang der Stadt, die Stadtbrände von 1694 und vor allem 1728 taten dazu ihr Übriges.
Bei den drei Abbildungen handelt es sich um gusseiserne Ofenplatten aus Neustadt.
Quelle: Buch „750 Jahre Neustadt-Glewe“, 1998